'Das Bild hat sich kaum verändert'

16 Tage Flutopferhilfe in Sri Lanka: Hartmut Darmstadt berichtet aus dem Katastrophengebiet

SCHLÜCHTERN (KN) Hartmut Darmstadt ist zurück. Nachdem der Schlüchterner Gymnasiallehrer in den Weihnachtsferien das Elend der Bevölkerung direkt nach der Flutkatastrophe hautnah auf Sri Lanka miterlebt hatte, sammelte er Spenden, um den Menschen an der Südküste Sri Lankas zu helfen. Insgesamt kamen über 40 000 Euro von Schulen, Kirchengemeinden, Vereinen, Geschäftsleuten und zahlreichen Privatpersonen zusammen. Selbst Landrat Karl EyerkauContent Imagefer hatte ihm noch einen Tag vor seiner Abreise 5000 Euro zukommen lassen. Nachdem Hartmut Darmstadt schon in den Weihnachtsferien den Menschen mit etwa 11 000 Euro weiterhelfen konnte, startete er diese Reise mit über 32 000 Euro im Handgepäck.

Vom Flughafen aus fuhr er gleich an die Südküste mit einem Stopp in Beruwala, wo er vom Organisationsteam von Karl Eyerkaufer gleich wertvolle Informationen über den Kauf von Fischerbooten und Schuleinrichtungen bekommen konnte. Überrascht war er, dass sich das Bild entlang der Küste kaum verändert hatte. Überall noch dieselben Bauruinen, nur der grobe Schutt wurde weggeräumt und die Menschen in zahllosen Camps in Zelten oder provisorischen Holzhütten untergebracht. Sie dürfen auf ihren ehemaligen Grundstücken in einer 100 Meter-Zone entlang der Küste nicht neu bauen und müssen warten, bis sie neue Grundstücke von der Regierung zugewiesen bekommen – aber wie lange das dauert, weiß keiner, und so ist jede Eigeninitiative zunichte gemacht. Überall sieht man Transparente von Hilfsorganisationen, die, so gut sie können, helfen, zum Teil auch schon feste Häuser bauen, aber mit den Behörden immer wieder ihre Probleme haben. Zusätzlich erhobene Zölle führen dazu, dass viele Hilfsgüter die Menschen nicht erreichen.

Darmstadt hatte sich zum Ziel gesetzt, die Spendengelder 100-prozentig den Menschen zukommen zu lassen und konzentrierte sich auf zwei Gebiete, einmal die Region zwischen Koggala und Weligama, wo seine befreundete Familie im Dorf Aranwala bei Ahangama lebt und mit den dortigen Verhältnissen bestens vertraut ist, zum anderen das Gebiet östlich von Tangalle, wo er in dem abgelegen Fischerdorf Rakawa einigen Fischern mit dem Kauf von Booten eine neue Lebensgrundlage schaffen konnte.

In der Region um Ahangama suchte er zusammen mit den drei Brüdern der Familie zunächst einige Schulen auf, die „Tsunami-Kinder“ aus den zerstörten Schulen der Küstenregion aufgenommen haben. In sechs Schulen ließen sie durch die Direktoren Bedarfslisten erstellen und waren dann – meist zu viert – mit dem Tuktuk (Dreirad) unterwegs, um Tische und Stühle in Schreinereien anfertigen zu lassen, bestellten Stoffe für Schuluniformen und konnten fast alles im nahe gelegenen Weligama besorgen – gleichzeitig ein Hilfe für den wirtschaftlichen Aufschwung des tsunamige-chädigten Ortes. Für über 7000 Euro kauften und bestellten sie 62 Tische und 80 Stühle, 4 Bücherregale, 30 weiße Tafeln mit 150 Stiften, 10 Metallschränke, Lautsprecher, Ventilatoren, 3 Fernseher und 2 VCD-Player, verschiedene Unterrichtsmaterialien, 266 Schulrucksäcke und über ein Kilometer Stoff für Schuluniformen… Allein hätte Darmstadt diese Arbeit gar nicht bewältigen können, berichtete er nach seiner Rückkehr gegenüber den KN. Wenn er zwischendurch für ein bis zwei Tage unterwegs war, um andere Dinge zu erledigen, waren seine Helfer oftmals eigenständig unterwegs, um Einkäufe zu erledigen und die Waren zu den Schulen zu transportieren. Auch der Vater Quintas war dreimal für ein Taschengeld mit dem Bus nach Colombo unterwegs, um Fernseher und andere Geräte günstiger zu besorgen. Ein Problem dieser sehr zeitintensiven Hilfsaktion war, dass die Spendengelder gar nicht schnell genug ausgegeben werden konnten.

So machte er sich in der 2. Woche auf den Weg, um entlang der Südküste nach gebrauchten Fischerbooten Ausschau zu halten. Mit Lakmal war er drei Tage mit dem Motorrad unterwegs und fand auch einige in den Häfen von Weligama und Dondra. Viel schwieriger war es aber, für diese Boote die neuen Besitzer zu finden und die Sicherheit zu haben, dass die Boote nicht durch wiederholten Verkauf mit Spendengeldern mehrfach finanziert werden. Durch den Kontakt mit anderen freiwilligen Helfern stieß er glücklicherweise auf einen sehr vertrauenswürdigen Einheimischen, der sich in einem abgelegenen Fischerdorf bei Rakawa um die Ärmsten kümmert. Am nächsten Morgen wählte er hier einige Fischer aus und sie fuhren dann gemeinsam zum Hafen von Dondra, wo die Fischer die Boote und Motoren genauer untersuchten und bei der Preisverhandlung mithalfen. So konnten sie noch am selben Tag die Kaufverträge abschließen, den Transport mit LKWs organisieren und sechs neue Fischernetze in Matara kaufen. Allein an diesem Tag konnten so sechs gut gebrauchte Boote mit Motor und Netz (drei für den Lions Club) erworben werden. Wenige Tage später kamen noch zwei weitere Boote für Fischer eines anderen Dorfes hinzu, und so konnte für ca. 14 Euro eine neue Lebensgrundlage für acht arme Fischerfamilien geschaffen werden. Um die Hilfe in den beiden Fischerdörfern zu vervollständigen, wurden noch für alle Familien Gaskocher mit Flaschen und Zubehör angeschafft. In einem dieser Dörfer traf er auch zwei Vertreter des Malteser-Hilfsdienstes aus Deutschland, die im selben Dorf zehn Häuser wieder aufbauten.

Da Darmstadt in der Region um Ahangama inzwischen als Helfer bekannt wurde, war es auch wichtig, im Dorf seiner Freunde etwas zu tun und so ließ die Familie auch hier alle tsunamigeschädigten Familien nach einer Liste der Behörde zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammenrufen und so konnten insgesamt in den drei Orten über 140 Gas-kocher eigenhändig übergeben werden. Dies waren besonders eindrucksvolle Momen-te, allen Bewohnern eines Dorfes gegenüber zu stehen und in die dankbaren Gesichter zu blicken.

Auch das Distrikt Hospital in Tangalle, das zurzeit renoviert und zum Teil neu aufgebaut wird, konnte mit einer Spende von 1500 Eurobedacht werden.

Zum Abschluss hatten die Helfer die große Aufgabe, nochmals die 5 Schulen um Ahangama am letzten Schultag vor den Neujahrsferien (Neujahrsfest am 14. April) zu besuchen, um die „Geschenke“ zu übergeben. Um die Schulrucksäcke und Stoffe für die Schuluniformen den Kindern persönlich zu überreichen, alles fotografisch festzuhalten und auch die Gastfreundschaft mit Essen und Trinken entsprechend zu respektieren, war der Zeitplan sehr knapp und so musste eine Schule sogar gebeten werden, ihre Schüler ein bis zwei Stunden länger in der Schule zu halten. Auch hier erlebten die vier Helfer wieder bewegende Szenen und die Freude der Kinder und Lehrer war unbeschreiblich groß.

Einige Arbeiten konnten noch nicht zu Ende geführt werden, wie z. B. die Ausstattung der sechsten Schule und einige Aufträge sind noch in Arbeit. Darum werden sich in den nächsten Wochen die einheimischen Helfer kümmern.

Insgesamt war die Zeit seines Aufenthaltes in Sri Lanka so ausgefüllt, dass Hartmut Darmstadt kaum Zeit zum Entspannen fand. Wenn es aber die Zeit erlaubte, gestattete er sich gelegentlich ein Bad im Meer (28 Grad Wassertemperatur) und fand in den Abendstunden Zeit, mit der Familie auf dem Markt einzukaufen, um anschließend gemütlich zusammen zu sitzen und sich mit gut gewürzten ceylonesischen Gerichten ver-wöhnen zu lassen, die Latha jeden Abend bis in die Mitternachtsstunden zubereitete.

14.04.2005 Kinzigtal-Nachrichten